Controlling

Ab und zu werde ich für einen Vortrag zum Thema Controlling angefragt. Eigentlich möchte ich ja jedesmal etwas Neues erzählen, aber immer wieder komme ich auf die gleichen, alten Grundsätze zurück. Es ist im Grunde genommen so, wie die Amerikaner das Geschäft immer seit Jahrzehnten und auf einfachste Art definieren: Buy low - sell high - collect early - pay late. Also sage ich mir: 1. Steter Tropfen höhlt den Stein. 2. Es funktioniert nur, was einfach ist. Und schäme mich nicht, immer wieder das gleiche zu erzählen.

 

1. Gedanken zum Controlling selbst
Controlling wird zwar je nach Quelle unterschiedlich definiert – basiert aber immer auf dem kybernetischen Regelkreis: Ziele setzen - Anordnen - Kontrollieren - Korrigieren. Oder in der militärischen Urform, kurz und bündig: Kommandieren, Kontrollieren, Korrigieren.
Unabdingbare Voraussetzung: es müssen Ziele festgelegt werden - messbar und somit überprüfbar, realistisch, stufengerecht, „tough but attainable“. Ziele müssen sowohl auf strategischer wie auf operativer Ebene vorhanden und miteinander verknüpft sein. Die operativen Ziele leiten sich aus den strategischen ab.
Der römische Philosoph Seneca wusste schon: „Wer den Hafen nicht kennt, in der er segeln will, für den ist kein Wind ein günstiger'. Was sinngemäss in unserer heutigen Sprache heisst: wenn ein Unternehmen nicht weiss, wohin es will oder „welches die richtigen Dinge sind - doing the right things', wird es scheitern, auch wenn es „die Dinge richtig tut - doing the things right'. Dabei genügen im strategischen Bereich Zielsetzungen im Sinne einer Fortschreibung des Bestehenden nicht. Die drei strategischen Grundfragen „Was', „Wie' und „Womit' müssen immer wieder neu gestellt und beantwortet werden. Also: Do the right things right, right now! Ohne Ziele kein Controlling – jeder Controller wird dabei scheitern!

 

Die nächste Schwäche beim Controlling treffe ich beim “Kontrollieren/Messen” an. Einerseits sehen sich die Empfänger des Controllings regelmässig einer riesigen Flut von Informationen gegenüber und sehen in der Folge vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr. Dabei wird nicht stufengerecht vorgegangen und die wenigen wirklich wichtigen Zahlen zum Führen gehen völlig unter. Man geht davon aus, dass über ein Management Cockpit nicht mehr als 6 – 8 Kennzahlen verfolgt werden können. Im Übrigen sollte auch beim Aufwand für das Controlling auf eine gute Kosten-Nutzenrelation geschaut werden! Besonders ist auch darauf zu achten, dass im Unternehmen keine unterschiedlichen Zahlen in Umlauf gebracht werden – ansonsten wird schnell das gesamte Controlling-System angezweifelt - und dass sie in einer für den Empfänger verständlichen Sprache sind. Wichtig ist, dass das IST (kumuliert und Teilperiode) nicht nur mit den entsprechenden Budget-Zahlen verglichen wird, sondern zusätzlich die Abweichungen zum Vorjahr aufgezeigt werden. Einerseits gibt das Vorjahr, im Gegensatz zum Budget, „festen Boden unter den Füssen', andererseits ist es der Vergleich, mit dem der externe Betrachter schlussendlich messen wird, infolge Unkenntnis des – internen - Budgets. Zusätzlich muss spätestens ab Mitte der Berichtsperiode (Geschäftsjahr) eine Schätzung (Vorschau, Forecast) des voraussichtlichen Perioden-Ergebnisses im Reporting Eingang finden. Diese darf aber nicht vom Controller alleine erstellt werden, da sonst nur das bisherige IST hochgeschrieben wird. Wichtigstes Ziel: der Bericht muss den Empfänger dazu bringen, bei Zielabweichungen Gegensteuer zu geben und entsprechende Massnahmen einzuleiten. Vom Wiegen wird die Sau nicht fett! Am schlimmsten empfinde ich aber, wenn aufgrund der bei den IST-SOLL-Vergleichen festgestellten Abweichungen einfach nichts geschieht, keine korrigierenden Massnahmen getroffen werden. Da ist Controlling wirklich für die Katz! Was gemessen wird, wird getan!

 

2. DEN Controller gibt es nicht
In der Controlling-Literatur wird der Controller immer wieder mit einem Navigator, einem Hofnarr oder dem „betriebswirtschaftlichen Gewissen“ verglichen. Die Aufgaben oder die hierarchische Stellung des Controllers können in jedem Unternehmen aber sehr unterschiedlich sein. Übliche Controllingfunktionen umfassen

  • Gestaltung Controllingsysteme, Berichtswesen
  • Planung
  • Beratung/Betreuung
  • Koordination
  • Bildung und Information
  • Richtlinien/Weisungen
  • Umweltbeobachtung
  • Informatikunterstützung

Die Funktionen müssen in jedem Unternehmen massgeschneidert werden und hängen unter anderem ab von Grösse, Branchenzugehörigkeit oder Lebenszyklus des Unternehmens ab oder ob sein Unternehmen an der Börse kotiert ist. In den letzten Jahren ist eine starke Verschiebung vom betrieblichen zum finanziellen Rechnungswesen und der Rechnungslegung inklusive Steuerthematik bemerkbar.

 

3. Führungsrhythmus: wenn die Massnahmen vor den Budgetzahlen stehen
Im Folgenden gehe ich auf einen der grössten Mängel in der Unternehmensführung ein: Strategisches und operatives Controlling sind nicht verzahnt. Immer wieder wird unter hohem Zeitdruck ein Budget für das kommende Geschäftsjahr erstellt, ohne dass vorgängig über Zielsetzungen, die es zu erreichen gilt, gesprochen und insbesondere die dazu notwendigen einzelnen Massnahmen festgelegt wurden. Abhilfe schafft nur die Einführung eines verbindlichen Führungsrhythmus für das Unternehmen/Konzern. Eigentlich ist es ganz einfach: Die einmal erarbeitete Vision/Strategie/Plan wird jährlich auf ihre Gültigkeit überprüft und angepasst und die Planrechnungen entsprechend überarbeitet. Die Mittelfristplanung ist somit wieder aktuell und dient als Grundlage für die Zielsetzungen des kommenden Geschäftsjahres. Das Erreichen dieser Ziele erfordert nun das Aufstellen eines Massnahmenportfolios. Erst anschliessend, also zuletzt wird das Budget erstellt. Diese Vorgehensweise gelingt jedoch nur, wenn der Führungsrhythmus für das Unternehmen verbindlich definiert wird, die Systematik ersichtlich ist und eine konsequente Umsetzung auf allen Führungsebenen erfolgt. Damit wird aber auch erreicht, dass sich die Führungskräfte mit ihrer wesentlichen Aufgabe - der Sicherstellung der Unternehmensziele - befassen.
Die Verzahnung wird durch entsprechende und aufeinander abgestimmte Planrechnungen und Budgets, Balanced Scorecard und ROI-Kennzahlensystemen mit klaren zahlenmässigen Zielen wesentlich unterstützt.

 

4. Jedes Unternehmen ist einzigartig
Das Verstehen dieser Einzigartigkeit ist eine unabdingbare Grundlage für eine erfolgreiche Unternehmenssteuerung. So lässt sich das bewährte, massgeschneiderte Controllingkonzept der Firma A nicht 1:1 auf die Firma B übertragen, weil die beiden Firmen unterschiedliche betriebswirtschaftliche Ausgangslagen und somit individuelle Problemstellungen aufweisen. Jedes Unternehmen oder jeder Konzern wurde im Laufe seines Bestehens zu einer Persönlichkeit geprägt, besitzt eine eigene Geschichte und Kultur, unter anderem durch

  • Eigentümer- und Finanzierungsverhältnisse
  • Rechtsform und Strukturen
  • Branche, Märkte und Marktstellung
  • Unternehmensgrösse, nationales oder internationales Unternehmen
  • Ablauf- und Aufbauorganisation, Organisation und Informatik
  • Führungsmodelle und –stil
  • Geschäftsfelder, Kernkompetenzen, USP's
  • Umgehen mit Risiko.

Eine massgebliche Rolle spielt der Lebenszyklus, in welchem sich ein Unternehmen befindet wie

  • Pionierstadium
  • Wachstum
  • Reife
  • Krise
  • Turn-around
  • Nachlass.

Einzigartigkeit ist elementare Voraussetzung für den langfristigen Unternehmenserfolg, denn auf die Dauer führen austauschbare Leistungen zu einer Rendite von null. Erfolgreiche Unternehmen lösen ein zentrales Problem ihrer Kunden sichtbar besser als der Wettbewerb. Entscheidend ist dabei immer nur die Fremd- bezw. Kundensicht.
Alle diese Faktoren tragen zu einer eigenen und somit einzigartigen Kultur bei. Diese wiederum wird zu einer strategischen Erfolgsposition, da im Gegensatz zu noch so ursprünglich innovativen Produkten diese Werte und Normen – fast als einzige - von den Mitbewerbern nicht leicht und vor allem nicht schnell nachgeahmt werden können (Kopierschutz). Andererseits kann eine Unternehmenskultur sehr schnell zerstört werden.


5. Information ist nicht kostenlos: situatives Rechnungswesen
Einerseits hat es sich herumgesprochen, dass die Beschaffung und das Vorrat halten von Informationen nicht kostenlos sind. Andererseits kennt man die Fragen nicht, die erst morgen gestellt werden. Ein weiteres Problem sind die bereits angesprochenen Unmengen von Informationen. Die Schlussfolgerung ist klar:


1. Die regelmässigen Berichte sind auf die laufende Navigation des Unternehmens auszurichten.

2. Für die fallweise unternehmerische Entscheidungsfindung muss es möglich sein, die relevanten betriebswirtschaftlichen Daten absolut zielgerichtet auf die jeweilige Fragestellung bereitzustellen. Man hüte sich, Antworten auf nie gestellte Fragen zu geben.

 

6. EVA / DCF

Schon lange nichts mehr halte ich von den dynamischen Methoden der Investitionsrechnung. Übersehen wird, dass Luft immer Luft bleibt, auch wenn ich diese mittels der komplexesten Diskontierungsmodelle zu bewerten versuche und dabei – in dieser kurzlebigen Zeit - noch einen ewigen Wert suggeriere. Obwohl die ganzen Planungsprozesse schon längstens von einer Langfristplanung über 10 Jahre Abstand genommen haben - wenn es gut geht,, wird über 1 Jahr budgetiert, vielleicht eine Mittelfristplanung über maximal 3 Jahre erstellt. Aber EVA hat uns ja schon immer verführt! Ehrlich: Ich habe noch nie in einer Geschäftsleitung oder in Verwaltungsräten über WACC (Weighted Average Cost of Capital)diskutiert, wohl aber über Kunden, Märkte, Produkte, Finanzierung, Kosten, Risiken, Preise oder welchem Mitarbeiter ein wichtiges Projekt anzuvertrauen sei. Wenn ich mit den Verantwortlichen in Unternehmen sprechen, gibt es nur eines: Pay-Back. Wobei dieser heute nicht mehr als 2, 3 Jahre betragen darf. Pay-Back. DCF dient sich aber sicherlich für Impairmenttests an, weil ich da je nach gewünschtem Resultat manipulieren kann.


7. Nur das Ergebnis zählt
Schlussendlich zählt was IST, und nicht was sein SOLL. Verlangt sind Resultate, nicht Versprechungen. Ohne langfristiges Wachstum und Gewinne wird kein Unternehmen überleben. Wie sagte doch Dr. Blocher einmal (als Unternehmer): Wir haben Erfolg, deshalb ist es richtig.
Mich interessiert eigentlich nur immer, was einem Unternehmen „unter dem Strich“ bleibt. Profit-Center-Denken, Konzernverrechnung, komplizierte Matrixorganisationen usw. hemmen in der Regel – zum Teil durch endlose Diskussionen oder falsche Verständnis der Voll- und Teilkostenrechnung - erheblich die wirkliche Geschäftstätigkeit.

 

8. Nur einfache Lösungen sind erfolgreich
In der Praxis bewähren sich nur pragmatische und von gesundem Menschenverstand geprägte Lösungen. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass sie von jedem daran Beteiligten aus dem Stegreif einem Unbeteiligten erklärt werden können und dieser es versteht (Testen!). Nur ganz einfache Systeme lohnen!
„Alles menschliche Tun und Denken geht den Weg vom Primitiven über das Komplizierte zum Einfachen“ (Antoine de Saint-Exupéry). Oder: „Die Theorie wird leicht mit den vergangenen und zukünftigen Problemen fertig; vor den gegenwärtigen ist sie machtlos.“ (La Rochefoucauld)